Zikr

Die zentrale Praxis im Sufismus ist der Zikr. Das Wort selbst bedeutet Erinnerung – Erinnerung an das All-Eine, an den Ursprung und das Ziel allen Seins, Erinnerung an unser ureigenstes Wesen.

Je nach Art des Zikr rufen wir dabei die göttlichen Qualitäten an, und vor allem auch die Worte la ilaha illa ‘llah, „Es gibt keine Götter außer Gott.” Diese Worte erinnern uns daran, dass all unsere subjektiven Konzepte von uns selbst und der Welt, dem Kosmos relativ sind. Die Eine Realität übersteigt und transzendiert all diese Konzepte. Das ist es, was wir Allah nennen, die Eine Realität, das Wahre Sein, das Absolute.

Im Zikr sind wir auf allen Ebenen unseres Wesens involviert. Der Körper vollführt rituelle Bewegungen, mit der Zunge sprechen wir die heiligen Worte, der Geist konzentriert sich auf die Bedeutung dieser Worte, und im Spiegel unseres Herzens beginnt sich das Angerufene zu offenbaren.

In der Regel dauert es einige Zeit, bis wir die volle Tiefe dieser Praxis erfassen und realisieren können. Der berühmte iranische Sufimeister Abd al-Qadir al-Jilani¹  (1077-1166) sagt:

Es gibt verschiedene Ebenen des Gedenkens, und jede hat ihre eigene Art. Einige werden nach außen hin mit hörbarer Stimme ausgedrückt, andere werden innerlich, still und aus der Mitte des Herzens heraus empfunden. Am Anfang sollten wir in Worten ausdrücken, woran wir uns erinnern wollen. Danach breitet sich die Erinnerung Schritt für Schritt im eigenen Wesen aus − sie steigt zum Herzen hinab, dann zur Seele hinauf und erreicht schließlich die Welt der Mysterien;  dann das Verborgene; bis hin zum Verborgensten des Verborgenen. Wie weit die Erinnerung vordringt, bis zu welcher Ebene sie gelangt, hängt allein davon ab, wie weit uns Allah in Seiner übervollen Güte geführt hat.

___________

¹ Abd al-Qadir al-Jilani, der sein Wirken in Baghdad entfaltet und dort den Sufiorden der Qadiriyya gegründet hat, zählt ebenfalls zur Übertragungslinie (silsila) der Inayatiyya.

.

 

Pir Vilayat Inayat Khan beim Zikr